Die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) im Jahr 2017 brachte grundlegende Änderungen bei der Vergabe von Wegenutzungsrechten. In der Zwischenzeit sind bereits Konzessionen ausgelaufen und neu vergeben worden, wobei sich hierbei in der Vergangenheit immer wieder Hürden ergeben haben, welche wir zum Anlass für weitere Informationen nehmen.
Die Ausschreibung
Ungeachtet des Umstandes, dass auf den Neuabschluss von Wegenutzungsverträgen nach § 46 Absatz 2 und 3 EnWG das Vergaberecht der §§ 97 ff. GWB keine Anwendung findet, treffen die Gemeinden bei der Vergabe von Wegenutzungsrechten besondere Pflichten. Der Ausschreibungsprozess beginnt mit der Bekanntgabe im Bundesanzeiger zwei Jahre vor Ablauf des bestehenden Konzessionsvertrages. Im Rahmen der Neuvergabe von Wegenutzungsrechten müssen insbesondere Diskriminierungsverbote und Transparenzanforderungen eingehalten werden. Für Kommunen, die Wegenutzungsrechte einem Eigenbetrieb übertragen wollen, besteht keine Möglichkeit, sich auf das Konzernprivileg zu berufen oder die Vergabe durch In-house-Geschäfte zu gestalten. Insgesamt sind hohe Anforderungen an die Ausschreibung und den daran anknüpfenden Auswahlprozess zu stellen, um Vorwürfe der Intransparenz und Diskriminierung von Bewerbern von vorneherein auszuschließen.
Rüge und Präklusionsregime
Am Ausschreibungsprozess beteiligten Unternehmen steht es offen, Rechtsverletzungen zu rügen, so dass einem akkuraten, fehlerfreien Vorgehen hohe Bedeutung beizumessen ist. Das Rüge- und Präklusionsregime ist mehrstufig aufgebaut, damit Verfahrensfehler zur Stärkung der Rechtssicherheit möglichst frühzeitig geltend gemacht werden. Eine unterbliebene Rüge führt zur Präklusion. Die Tabelle stellt die einzelnen Phasen für Rügen, relevante Fragestellungen und die jeweiligen Rügefristen dar.
Eine im Sinne des § 47 EnWG wirksame Rüge liegt nur vor, wenn der Bewerber einen konkreten Rechtsverstoß beschreibt und begründet. Die Gemeinde muss erkennen können, welcher Sachverhalt der Rüge konkret zugrunde gelegt wird und woraus die Rechtsverletzung abgeleitet wird; ein lediglich pauschaler Hinweis auf die Fehlerhaftigkeit des Verfahrens genügt ebenso wenig, wie Behauptungen „ins Blaue hinein“.
Gestaltung des Ausschreibungsverfahrens
Ziel des Ausschreibungsverfahrens ist es, den Versorger zu ermitteln, der nach seiner personellen und sachlichen Ausstattung, seiner fachlichen Kompetenz und seinem Betriebskonzept entsprechend § 1 Absatz 1 EnWG am besten geeignet ist, die Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas zu gewährleisten. Für das Auswahlverfahren und die hierfür zu verwendenden Parameter besteht ein Ermessensspielraum für die Gemeinden, um den individuellen Gegebenheiten Rechnung zu tragen. Bei der Bewertung sollten die Ziele des § 1 EnWG mit zumindest mehr als 50 % berücksichtigt werden. Der Ermessensspielraum erscheint zunächst recht groß. Hierbei ist zu beachten das die Auswahl, Definition und Gewichtung von Parameter und Methodik zu jederzeit nachvollziehbar und vertretbar sein muss, um etwaigen Rügen vorzubeugen. Auswahlkriterien wie beispielsweise Netzentgelt, Kundenservice in örtlicher Nähe und Reaktionszeit im Störungsfall sind zunächst zulässig.
Das Netzentgelt ist als klassisches Beispiel zur Beschreibung der „Preisgünstigkeit“ aus § 1 Absatz 1 EnWG anzusehen. Durch die geringe Variabilität bei der Ausschreibung ist das Netzentgelt mit geringem Rüge-Risiko behaftet. Der Kundenservice in örtlicher Nähe ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, sofern die regionale Präsenz des Kundenservice ein wertungsrelevantes Kriterium bildet. Parameter wie die Reaktionszeit im Störungsfall bieten zwar wesentlich mehr Interpretationsspielraum und sind bei der Auswahl nicht unerheblich, müssen aber angemessen beschrieben werden. Ist das ausgewählte Störungsszenario nicht ausreichend beschrieben, ist der Parameter als Intransparent abzulehnen.
Bei der Wahl der Bewertungsmethode ist die „Relative Bewertungsmethode“ in der Praxis als sachgerecht und anwendbar zu betrachten. Bei dieser wird das beste Angebot, in jeder Kategorie, als Maßstab verwendet und erhält die meisten Punkte. Zur Auswertung werden die erzielten Punkte mit der Gewichtung der Kategorie multipliziert und zuletzt mit den Werten aus den anderen Kategorien addiert. Für die Bewertung der anderen Angebote in dieser Kategorie ist entweder eine stufenlose oder eine statische Wertung vorzunehmen, wobei die stufenlose Wertung im Allgemeinen als sachgerechter beschreiben wird. Die Komplexität dieses Models begründet sich im Zusammenspiel von Auswahl und Definition der Auswahlkriterien in Verbindung mit den Vorgaben in § 1 Absatz 1 EnWG. Die Dokumentation des gesamten Bewertungsprozesses für spätere Akteneinsichten ist ebenso wichtiger Bestandteil in diesem Bereich. Weiter sind Interessenkonflikte durch personelle und organisatorische Trennung zu unterbinden. Gleiches gilt für Beratungsbüros; diese dürfen das Konzessionsvergabeverfahren kaufmännisch, technisch und juristisch begleiten, eine Doppelvertretung von Bewerber und Ausschreiber ist aber nicht zulässig.