
Erbschaftsteuerreform 2016
Erste Anwendungshinweise
Autorin dieses Beitrags
Nach langem Ringen haben Bundestag und Bundesrat die Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer Ende letzten Jahres endgültig verabschiedet. Das „Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“ wurde am 04.11.2016 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. 2016 I, S. 2464 ff.). Von großer praktischer Bedeutung sind die zeitlichen Anwendungsbereiche der einzelnen Neuregelungen des Gesetzes sowie daraus resultierende Fragen der Verfassungsmäßigkeit. Darüber hinaus möchten wir Sie über ausgewählte Chancen und Risiken informieren, die mit einzelnen Gesetzesänderungen verbunden sind und künftig bei der Planung der Unternehmensnachfolge berücksichtigt werden sollten.
Zeitlicher Anwendungsbereich
Änderung des Bewertungsgesetzes
Der nunmehr auf 13,75 reduzierte Kapitalisierungsfaktor im vereinfachten
Ertragswertverfahren gilt für alle Erwerbe ab dem 01.01.2016. Die Rückwirkung kann sich nachteilig für Steuerpflichtige auswirken, wenn der niedrigere Unternehmenswert zum Überschreiten der 50 % bzw. 10 %-Verwaltungsvermögensgrenze und damit zum Wegfall der Begünstigungen nach dem „alten“ Erbschaftsteuergesetz führt.
Änderung des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes
Die übrigen Neuregelungen gelten dem Gesetzeswortlaut nach rückwirkend ab dem 01.07.2016. Die Finanzverwaltung hat daraufhin mit koordinierten Ländererlassen vom 08.12.2016 bzw. 16.01.2017 die Anordnungen zur Weiteranwendung des alten Rechts nach dem 01.07.2016 sowie zur vorläufigen Festsetzung der Erbschaft- und Schenkungsteuer aufgehoben. Nach Auffassung des Gesetzgebers ist die Rückwirkung des Gesetzes zulässig, weil sich aufgrund des BVerfG-Urteils v. 17.12.2014 kein Vertrauen auf den Bestand des alten Rechts bilden konnte. Von einer teilweise in der Literatur vertretenen „Erbschaftsteuerpause“ (zwischen dem 01.07.2016 und dem Tag der Verkündung des neuen Erbschaftsteuergesetzes) kann wohl nicht ausgegangen werden. Die weitere Entwicklung bleibt aber abzuwarten.
Hinweis: Bei Todesfällen und Schenkungen im Rückwirkungszeitraum, bei denen sich ungünstigere Steuerfolgen als nach altem Recht ergeben, sind Rechtsbehelfs und ggf. sachliche Billigkeitsmaßnahmen zu ergreifen.
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Chancen
Familiengesellschaften wird von Amts wegen ein Vorab-Abschlag bis zu 30 % des Unternehmenswertes gewährt, wenn im Gesellschaftsvertrag zwei Jahre vor und 20 Jahre nach dem Besteuerungszeitpunkt folgende Regeln gelten und durchgeführt werden:
- Entnahme-/Ausschüttungsbeschränkungen auf maximal 37,5 % des um die auf die Ausschüttungen entfallenden Steuern vom Einkommen gekürzten steuerlichen Gewinns und
- Verfügungsbeschränkungen über die Gesellschaftsanteile auf einen bestimmten Personenkreis und
- Abfindung unter dem gemeinen Wert für den Fall des Ausscheidens.
Der Vorab-Abschlag entfällt rückwirkend, wenn die Bindungsfrist nicht eingehalten wird oder die Regelungen tatsächlich nicht durchgeführt werden.
Hinweis: Die Gesellschaftsverträge sollten in geeigneten Fällen angepasst werden. Angesichts der langen Bindungsfrist dürfte die praktische Bedeutung dieser begünstigenden Vorschrift aber begrenzt sein.
Investitionsklausel bei Erwerben von Todes wegen: Verwaltungsvermögen und Finanzmittel, die nach dem Willen des Erblassers innerhalb von zwei Jahren nach dem Erbfall für Investitionen oder Lohnzahlungen verwendet werden, werden rückwirkend nicht mehr zum steuerpflichtigen Verwaltungsvermögen gerechnet. Wie die Dokumentation des Erblassers aussehen muss, ist allerdings unklar. Eine testamentarische Festlegung eines solchen Erblasserwillens ist wohl nicht erforderlich.
Hinweis: Die möglichst umfassenden Nachweise sollten laufend an die Geschäftsentwicklung angepasst werden. Dabei ist zu beachten, dass eine rückwirkende Verminderung des Verwaltungsvermögens mit gleichzeitiger Erhöhung des begünstigten Vermögens nicht nur positive, sondern auch nachteilige Folgen haben kann, z.B. beim Überschreiten der Großerwerbsgrenze von EUR 26 Mio.
Risiken
Neue 90 %-Grenze: Eine Verschonung ist in vollem Umfang ausgeschlossen, wenn das nicht zur Sicherung von Altersversorgungsverpflichtungen benötigte Nettoverwaltungsvermögen (d.h. vor Schuldenverrechnung und vor Abzug des 15 %igen Freibetrages für Finanzmittel) im Verhältnis zum Unternehmenswert die Quote von 90 % erreicht oder überschreitet. Diese auf den ersten Blick unproblematische Regelung kann insbesondere bei stark fremdfinanzierten Unternehmen mit hohem Forderungsbestand (z.B. Handelsunternehmen) oder Personengesellschaften mit hohen Gesellschafterforderungen im Sonderbetriebsvermögen zur vollen Steuerpflicht des Betriebsvermögens führen.
Verbundvermögensaufstellung: Bei mehrstufigen Strukturen erfolgen die Ermittlung des begünstigten Vermögens und der Finanzmitteltest künftig auf Konzernebene. Durch die Zusammenrechnung von Gegenständen des Verwaltungsvermögens und der Finanzmittel (unter anschließender Saldierung von Forderungen und Verbindlichkeiten) entfällt nunmehr die Möglichkeit, Verwaltungsvermögen unschädlich auf verschiedene Tochter- und Enkelgesellschaften zu verteilen.
Finanzmitteltest: Der auf 15 % des Unternehmenswertes reduzierte Freibetrag für Finanzmittel wird nur noch gewährt, wenn das begünstigungsfähige Vermögen überwiegend einer originär gewerblichen Tätigkeit dient. Sog. „Cash-GmbHs“ oder gewerblich geprägte Personengesellschaften können diesen Freibetrag deshalb nicht mehr in Anspruch nehmen.
Fazit
Die hochkomplexen Neuregelungen im Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz wirken sich für Unternehmer überwiegend negativ aus. Dabei sind zahlreiche Zweifelsfragen und Probleme zu klären. Dies führt mehr denn je zu einem erhöhten Beratungsbedarf aus erbschaft- und schenkungsteuerlicher Sicht bei der frühzeitig erforderlichen Planung der Unternehmensnachfolge.
Gerne stehe ich für weitere Fragen persönlich zur Verfügung: