Was ist Carbon Leakage?
Der Begriff „Carbon Leakage“ beschreibt den Effekt, dass Emissionen in solche Regionen ausgelagert werden, in denen niedrigere oder gar keine Auflagen für den Klimaschutz gelten. Dieser Effekt kann insgesamt zu einer Benachteiligung nationaler Unternehmen führen. Zudem kann er auf internationaler Ebene eine Erhöhung der Emissionen bewirken. Das EU-Emissionshandelssystem (EU-EHS) sieht für Industrieanlagen, die einem Risiko der Verlagerung von CO₂-Emissionen ausgesetzt sind, Entlastungsmöglichkeiten vor. Dadurch soll die Wettbewerbsfähigkeit der durch das Carbon Leakage gefährdeten Industrieanlagen sichergestellt werden.
Was besagt die BEHG-Carbon-Leakage-Verordnung? (BECV) in der Entwurffassung vom 11.02.2021?
Auch auf nationaler Ebene liegt nun ein „Entwurf einer Verordnung über Maßnahmen zur Vermeidung von Carbon Leakage durch den nationalen Brennstoffemissionshandel (BEHG-Carbon-Leakage-Verordnung - BECV)“ (BECV) vor. Den rechtlichen Rahmen dieser Verordnung bildet das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) vom 12.12.2019, das eine CO₂-Bepreisung in allen Wirtschaftsbereichen vorsieht, die nicht vom EU-Emissionshandel erfasst sind. Zudem geht dieser Verordnung das vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit veröffentlichte Arbeitspapier: „Eckpunkte zur Ausgestaltung einer Kompensationsregelung nach § 11 Absatz 3 BEHG zur Sicherung der grenzüberschreitenden Wettbewerbsfähigkeit betroffener Unternehmen“ voraus, das bereits die Kernpunkte der Prävention des Carbon Leakage durch die BECV skizziert. Mit der Einführung einer nationalen CO₂-Bepreisung werden alle betroffenen Wirtschaftsbereiche einer zusätzlichen Kostenbelastung für die Nutzung fossiler Brennstoffe ausgesetzt, die auf internationaler Ebene zu Wettbewerbsnachteilen fuhren kann. Denn Unternehmen können die zusätzlichen Kosten, die aus dem nationalen Brennstoffemissionshandel entstehen, nicht mehr über die Produktpreise abwälzen, sofern ausländische Wettbewerber keiner vergleichbaren CO₂-Bepreisung unterliegen. In solchen Fällen kann es zum oben beschriebenen Effekt des Carbon Leakage kommen, den die Bundesregierung verhindern will.
Wie orientiert sich die nationale Gesetzgebung am Schutzsystem des EU-Emissionshandels?
Die von der Bundesregierung vorgesehenen Kompensationsmaßnahmen zur Vermeidung des Carbon Leakage folgen den Grundsätzen des EU-Emissionshandels und orientieren sich bezüglich der besonders vom Risiko des Carbon Leakage betroffenen Sektoren am Schutzsystem des EU-Emissionshandels, das eine Sektorenliste gefährdeter Wirtschaftssektoren beinhaltet. Diese Sektorenliste wird zusätzlich um Besonderheiten des nationalen Emissionshandels ergänzt.
Welchen Beihilfeansatz verfolgt die BECV?
Die BECV verfolgt einen abgestuften Beihilfeansatz. Die Beihilfe wird ab dem Jahr 2021 zur Teilkompensation der durch den Brennstoffemissionshandel verursachten Mehrkosten gewahrt. Die Berechnung der Beihilfehohe orientiert sich genauso wie die Sektorenliste für die betroffenen Wirtschaftsbereiche an den Vorgaben, die im Rahmen der Carbon Leakage Kompensation im EU-Emissionshandel angewendet werden. Die Ermittlung des Beihilfesatzes wird dabei in den folgenden Schritten vorgenommen:
Die im Vorjahr für den Produktionsprozess verbrauchte Energiemenge aus fossilen Brennstoffen wird zur Berechnung des Beihilfesatzes zu dem von der EU-Kommission festzulegenden Benchmark-Wert für die verbrauchte Wärmemenge bzw. die eingesetzte Brennstoffmenge in Relation gesetzt. Dadurch lasst sich die beihilfefähige Emissionsmenge festlegen, die dann mit dem Zertifikatspreis für das jeweilige Jahr und mit dem Kompensationsgrad des betroffenen Sektors multipliziert wird. Bei allen Unternehmen, bei denen der Anteil der BEHG-Kosten eine angemessene Mindestschwelle überschreitet, soll auf der Grundlage dieser Beihilfeberechnung ein Beihilfesatz ermittelt werden, der oberhalb der Mindestschwelle einen dem BEHG-Kostenanteil entsprechenden Kompensationsgrad zwischen 65 % und 95 % vorgibt.
Welche Gegenleistungen muss das Unternehmen für die Beihilfe erbringen?
Ein entscheidender Faktor für die Berechtigung zu dieser Beihilfe liegt in der Gegenleistung der Unternehmen. Denn langfristig soll durch die Carbon Leakage-Kompensation insbesondere eine Unterstützung für klimafreundliche Investitionen erfolgen, um den Klimaschutzzweck des BEHG zu erfüllen. Da die Etablierung klimafreundlicher Investitionen einen längeren zeitlichen Vorlauf benötigt, legt die BECV als Kriterien für die Erlangung von Beihilfen gegenwärtig nur zwei Bedingungen fest.
- Die Unternehmen müssen über ein Energiemanagementsystem verfügen. Für kleinere Unternehmen reicht die schrittweise Einführung eines nicht zertifizierten Energiemanagementsystems auf der Grundlage der ISO 50.005 (mindestens Level 3) bis 2023 aus. Alternativ können kleinere Unternehmen auch Mitglied eines bei der entsprechenden Regierungsstelle angemeldeten Energieeffizienz- und Klimaschutznetzwerks sein. Für energieintensive Unternehmen mit einem Gesamtenergieverbrauch von mehr als 500 MWh pro Jahr ist jedoch ein zertifiziertes Energiemanagementsystem nach ISO 50.001 oder ein Umweltmanagementsystem nach EMAS notwendig.
- Zusätzlich müssen die Unternehmen nachweisen, dass sie angemessene Maßnahmen zur Dekarbonisierung ihrer Produktionsprozesse oder zur Verbesserung ihrer Energieeffizienz ergriffen haben, die im Rahmen des Energiemanagementsystems konkret identifiziert und als wirtschaftlich durchfuhrbar bewertet sein müssen. Die genannten Maßnahmen sollen der Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Unternehmen angesichts des Brennstoffemissionshandels dienen und zugleich die durch das BEHG vorgesehenen Ziele des Umwelt- und Klimaschutzes fordern. Wie sich die Carbon Leakage-Kompensationshilfe in der Praxis realisieren lasst bleibt abzuwarten, da die geplante Realisierung der Beihilfen sich als zu restriktiv erweisen konnte.