Das Konzept
Der Grundgedanke des Emissionshandels ist simpel und folgt dem "Cap and Trade"-Prinzip. Es wird eine Obergrenze für Emissionen gesetzt (Cap), diese wird sukzessiv gesenkt. Marktteilnehmer, die Emissionen verursachen, müssen Zertifikate (Emissionsrechte) erwerben. Diese Emissionszertifikate können an Börsen oder over the counter (OTC) gehandelt werden (Trade). Durch die Preise für die Emissionszertifikate kann der Emittent für sich bewerten, ob er Anstrengungen unternimmt, um Emissionen zu vermeiden oder ob es für ihn günstiger ist, Emissionsrechte zu erwerben und CO₂ zu emittieren.
Die Umsetzung des europäischen Emissionshandels (EU-ETS)
An dem EU-ETS nehmen die Sektoren Energie, Industrie und EU-Flugverkehr teil, womit durch 11.000 Anlagen rund 40 % der EU-Emissionen abgedeckt werden. An dem EU-ETS nehmen neben den 27 EU Staaten Norwegen, Island, Liechtenstein und Großbritannien teil (EU 31). Der EU-ETS ist in Handelsperioden eingeteilt, da hierdurch mittelfristige Ziele besser anvisiert und überprüft werden können. Gleichzeitig besitzen Unternehmen für diesen Zeitraum eine weitgehende Planungssicherheit. Gehandelt werden European Union Allowances (EUA), die zum Ausstoß von einer Tonne CO₂ berechtigen.
Die erste Handelsperiode galt als Probephase von 2005 bis 2007, in der viele Zertifikate kostenlos zur Verfügung standen. Das Cap der zu emittierenden Zertifikate wurde durch die Emissionen der vergangenen Jahre bestimmt, ein Verfahren, das als Grandfathering bezeichnet wird. Aufgrund fehlender Daten für das Grandfathering existierte in dieser Handelsperiode ein enormer Überschuss an Emissionszertifikaten. Zudem konnten die überschüssigen Zertifikate in kommenden Handelsperioden nicht genutzt werden. In Folge dessen sank der EUA-Preis bis auf 0 Euro.
In der zweiten Handelsperiode von 2008 bis 2012 wurde neben dem Grandfathering ein Benchmark-System implementiert. Dieses Benchmark-System überprüft zusätzlich das Cap der Emissionszertifikate. Überdies wurde „Banking“ eingeführt. Dadurch können EUAs handelsperiodenübergreifend gehalten werden. Wegen der Weltwirtschaftskrise kam es in dieser Handelsperiode zu einem Nachfrageruckgang bei einem gleichzeitigen Angebotsüberschuss. Dies führte zum erneuten Preisverfall. Ein weiterer Punkt, der diesen Preisverfall beschleunigte, war die gestiegene Zahl an Clean Development Mechanism (CDM) und Joint Implementation (JI) Projekten. Bei CDM und JI handelt es sich um Klimaschutzprojekte aus dem Kyoto-Protokoll. Durch diese Projekte werden Certified Emission Reductions (CERs) bzw. Emission Reduction Units (ERUs) Zertifikate ausgegeben, die in EUA Zertifikate umgewandelt werden können und dadurch künstlich das Cap erhöhten.
Die dritte Handelsperiode ging von 2013 bis 2020. Wegen des niedrigen Zertifikatspreises und des Überangebots zu Beginn der Handelsperiode wurden Regelungen aktualisiert und neue Maßnahmen entwickelt. Folgende wesentliche Maßnahmen wurden eingeführt:
Zum einen war die Grundzuteilungsregel in dieser Handelsperiode ein Benchmark-System. Die kostenlose Zuteilung für eine Anlage wird hierbei soweit wie möglich auf der Grundlage von Benchmarks berechnet, welche auf umfangreichen technischen Analysen beruhen. Anlagen, die die Benchmarks einhalten und somit zu den effizientesten in der EU gehören, erhalten im Grunde ausreichend Zertifikate, um all ihre Emissionen zu decken. Anlagen, die die Benchmarks nicht erreichen, werden weniger Zertifikate zugeteilt, als sie benötigen. Zum anderen wurden für den Umtausch von CERs und ERUs Obergrenzen und zeitliche Befristungen eingeführt.
Der Haupteinflussfaktor für den Preisanstieg in dieser Periode war jedoch die Marktstabilitätsreserve (MSR). Die MSR schöpft überschüssige EUAs ab und gibt bei Knappheit wieder EUAs aus. Die MSR besitzt eine Obergrenze. Wenn darüber hinaus Zertifikate aus dem Markt genommen werden, werden überschüssige Zertifikate gelöscht. Die Prognose, dass bis 2023 ca. 2 Milliarden EUAs gelöscht werden sollen, begründete den Preisanstieg am Ende der dritten Handelsperiode, der zeitweise durch die Folgen der Corona-Pandemie gebremst wurde.
In der vierten Handelsperiode im Zeitraum von 2021 bis 2030 soll das EU-ETS gestärkt werden. Hierfür wird das Cap jährlich um 2,2 % pro Jahr sinken, und nicht mehr wie bisher um 1,74 %. Darüber hinaus wird die MSR modifiziert. Bis 2023 werden 24 % der im Umlauf befindlichen Zertifikate abgeschöpft, doppelt so viele wie ursprünglich geplant. Anschließend wird wieder mit der normalen Einstellungsrate von 12 % gearbeitet. Darüber hinaus wird in dieser Handelsperiode die Zuteilung flexibler. So kann die Zuteilung für einzelne Anlagen jährlich angepasst werden, um auf Produktionssteigerungen und ‑rückgänge reagieren zu können. Außerdem werden die Richtlinien für die kostenfreie EUA Zuteilung alle fünf Jahre angepasst.
Kritik am Europäischen Emissionshandel
Einen wesentlichen Kritikpunkt beim Emissionshandel bildet die Wechselwirkung mit nationalen Maßnahmen durch den „Wasserbetteffekt“. Bei diesem Effekt werden durch nationale Klimaschutzprogramme Zertifikate frei und überschwemmen den Markt. Aktuelle Beispiele hierfür sind der Kohleausstieg oder das EEG in Deutschland.
Weitere Kritik wird aufgrund des Carbon Leakage und dessen Behandlung geübt (bitte beachten Sie auch den weiteren Artikel speziell zum Thema Carbon Leakage in dieser Ausgabe). Bei dem Effekt des Carbon Leakage werden Emissionen in Regionen verlagert, die keine oder weniger Klimaschutzauflagen haben. Als Mittel gegen Carbon Leakage werden kostenfrei EUA Zuteilungen verwendet, die sich nach Handels- und Emissionsintensität richten. Die EUA-Preise schwanken stark und erschweren dadurch die langfristige betriebswirtschaftliche Planbarkeit. Dies hat wiederum zur Folge, dass kostenintensive Investitionen in emissionsärmere Anlagen unter Umstanden nicht umgesetzt bzw. aufgeschoben werden.
Reduktion der Emissionen
Als Zwischenergebnis zeigt das EU-ETS eine insgesamt positive Bilanz. Insbesondere die Regelungen der letzten Jahre zeigen ihre Wirkung auf dem Weg zu einem effektiven Klimaschutzinstrument. Potential zur Verbesserung besteht trotz der positiven Entwicklung an vielen Punkten. Besonders ist hier der Umgang mit Carbon Leakage zu nennen. Des Weiteren umfasst das EU-ETS nur 40 % der CO₂-Emissionen.