Hintergrund
Am 21.04.2021 hat die EU-Kommission einen Vorschlag zur Änderung der Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive - CSRD) veröffentlicht. Der Vorschlag sieht für große Teile des nicht-kapitalmarktorientierten Mittelstands eine deutliche Ausweitung ihrer Berichtspflichten zur Nachhaltigkeit vor. Die Eckpunkte der geplanten Anpassungen werden nachfolgend erläutert.
Ziel und Zeitplan
Bereits im Dezember 2019 hat die Europäische Kommission ein Konzept zur Klimaneutralität Europas bis 2050 vorgestellt (Green Deal). Ziel des „Green Deals“ ist eine stärkere Lenkung der Kapitalflüsse hin zu nachhaltigen Investitionen und damit eine nachhaltigere Ausrichtung von Geschäftsmodellen (Sustainable Finance).
Zusammen mit der bereits geltenden EU-Verordnung über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/2088 (EU-Verordnung 2020/852 v. 18.06.2020 „Taxonomie-VO“) soll der Vorschlag zur Änderung der CSRD dazu beitragen, die finanzielle und die nichtfinanzielle Unternehmensberichterstattung noch stärker miteinander zu verknüpfen und die Berichterstattung über Umwelt-, Sozial- und Governance-Belange weiter auszubauen. Zudem soll durch einheitliche Regeln insbesondere auch vermieden werden, dass Unternehmen sich ohne Grundlage ein umweltfreundliches Image verleihen (sog. „Greenwashing“). Dafür müssen bestehende Ermessensspielräume in der Berichterstattung eingeschränkt werden.
Die EU plant, die Vorschläge zur CSRD noch in diesem Jahr zu verabschieden. Nach Umsetzung in nationales Recht, sollen die Neuerungen erstmals für das Geschäftsjahr 2023 gelten.
Geltungsbereich
Bestimmte Unternehmen von öffentlichem Interesse (kapitalmarktorientierte Unternehmen sowie Kreditinstitute und Versicherungen mit jeweils mehr als 500 Mitarbeitern) haben bereits seit dem Geschäftsjahr 2017 ihren (Konzern-)Lagebericht um eine nichtfinanzielle (Konzern-)Erklärung zu erweitern.
Die Vorschläge zur Änderung der CSRD sehen vor, die entsprechenden Berichtpflichten nun in einem ersten Schritt auf alle großen (haftungsbegrenzten) Unternehmen auszuweiten. Als große Unternehmen gelten dabei Unternehmen, bei denen zum Bilanzstichtag zwei der drei folgenden Merkmale überschritten werden:
- Bilanzsumme EUR 20 Mio.
- Umsatzerlöse EUR 40 Mio.
- Arbeitnehmer 250
Nach aktuellen Schätzungen müssen danach zukünftig rund 15.000 Unternehmen (bislang 1.000) in Deutschland in Rede stehende Nachhaltigkeitsangaben in ihre Rechnungslegung aufnehmen und veröffentlichen. Darunter fallen insbesondere auch größere mittelständische Unternehmen.
Berichtsangaben
Die entsprechenden Informationen über die Nachhaltigkeit sollen nach dem Vorschlag der CSRD zukünftig zwingend in einem gesonderten Nachhaltigkeitsbericht als Teil des (Konzern-)Lageberichts dargestellt werden.
Laut CSRD sind dabei u. a. folgende Informationen bereitzustellen:
- Beschreibung des Geschäftsmodells sowie der Strategie und deren Widerstandsfähigkeit im Hinblick auf Nachhaltigkeitsrisiken
- Beschreibung der Ziele und Fortschritte in Bezug auf Nachhaltigkeitsfragen
- Beschreibung der Rolle der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten
- Relevante Indikatoren
Neu in diesem Zusammenhang ist die Betonung der „doppelten Wesentlichkeit“ bzw. der „Perspektive“: Danach müssen Unternehmen nicht nur darüber berichten, wie sich Nachhaltigkeitsaspekte auf ihr Geschäftsergebnis, ihre Lage und ihren Geschäftsverlauf auswirken („Outside-in“), sondern auch darüber, welche Auswirkungen das Unternehmen auf Menschen und Umwelt hat („Inside-out“).
Darüber hinaus ist auch die Angabe von drei „grünen“ Performance-Kennzahlen neu: Die entsprechenden Lageberichtsangaben für ökologisch nachhaltige Umsatzerlöse sowie Investitionen und Betriebsaufwendungen werden in der nachstehenden Tabelle beispielhaft dargestellt:
Die grün hervorgehobenen Umsatzerlöse sollen verdeutlichen, wie nachhaltig das Unternehmen tatsächlich ist. Anhand der ebenfalls grün dargestellten Investitionen soll erkennbar sein, wie nachhaltig das Unternehmen zukünftig sein wird. Was ökologisch nachhaltige Aktivitäten sind, regeln delegierte Rechtsakte der EU. Ungeachtet dessen wird die Ermittlung der Kennzahlen in der Praxis ausgesprochen schwierig und aufwändig und mit Zweifelsfragen behaftet werden.
Corporate Governance; Externe Prüfung und Offenlegung
Durch den Ausweis im Lagebericht obliegt die Pflicht zur Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts nach § 171 Abs. 1 AktG dem Aufsichtsrat und - vorbehaltlich einer anderweitigen Umsetzung durch die Bundesregierung - auch dem Abschlussprüfer. Prüfungs- und Offenlegungspflichten gelten für alle Berichte, die nach dem 01.01.2024 veröffentlicht werden, also in der Regel für Berichte ab Geschäftsjahr 2023. Durch den Vorstand bzw. die Geschäftsführung sind demgegenüber entsprechende Risikomanagement-, Berichts- und Kontrollsysteme anzupassen.
Enger Zeitplan für die Umsetzung der internen Prozesse
Zur Umsetzung der Anforderungen der CSRD einschließlich der EU-Taxonomie-VO bedarf es zunächst einer grundlegenden Klärung von Begrifflichkeiten und Erfordernissen zur Datenermittlung und anschließend der zielgerichteten Anpassung bzw. Etablierung von unternehmensinternen Prozessen und Arbeitsabläufen. Nicht nur grüne Umsatzerlöse, sondern z. B. auch CO2-Emissionen und andere Nachhaltigkeitskennzahlen gilt es, so qualitätsgesichert und effizient wie die Zahlen aus der Finanzbuchhaltung bereitzustellen.
Es bietet sich an, das Jahr 2022 zu nutzen, um erstmals einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen, ohne bereits einer Publizitätspflicht zu unterliegen. Dadurch kann der Übergang in den der Prüfung unterliegenden „Normalbetrieb“ in 2023 deutlich erleichtert werden.
Besonders betroffen sind die Unternehmen des öffentlichen Interesses, da diese bereits für das Geschäftsjahr 2021 die EU-Taxonomie-VO anwenden und grüne Performance-Kennzahlen berichten müssen.
Fazit
Die EU verfolgt die Absicht, Unternehmen über die Kapitalkosten, d. h. den Geldbeutel, zu nachhaltigeren Aktivitäten zu bewegen. Es ist z. B. zu erwarten, dass die grünen Performance-Kennzahlen Einfluss auf das Bankenrating und damit die Kreditkonditionen haben werden. Zudem dürften mittelständische Unternehmen im Rahmen der Lieferkette von ihren größeren Kunden zur Verbesserung der Performance-Kennzahlen angehalten werden. Finanz- und Nachhaltigkeitsbericht wachsen zukünftig zu einem integrierten Bericht zusammen. Die anstehenden, herausfordernden Neuerungen könnten daher ein Anlass sein, die Nachhaltigkeit von Geschäftsmodellen und Unternehmensstrategien insgesamt einmal wieder auf den Prüfstand zu stellen.