Herausforderungen des neuen Klimaschutzgesetzes

Das Bundesverfassungsgericht hat das Klimaschutzgesetz vom 12.12.2019 für teilweise verfassungswidrig erklärt. Das neue Klimaschutzgesetz ist wesentlich umfangreicher als das KSG 2019. In unserem Beitrag geben wir eine Übersicht über die maßgeblichen Änderungen bzw. Neuerungen, die sich aus dem neuen KSG ergeben. 

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Stefanie Stuntebeck

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ANLASS

Das Bundesverfassungsgericht (BVG) hat mit dem Beschluss vom 24.03.2021 das Klimaschutzgesetz (KSG) vom 12.12.2019 für teilweise verfassungswidrig erklärt. Gründe für das Urteil sind im Wesentlichen, dass

  • keine langfristigen Pläne zur Erreichung der Treibhausgasneutralität bis 2050 bestehen,
  • die Freiheiten der künftigen Generationen beeinträchtigt werden, da zur Erreichung der Klimaziele drastische Einschränkungen notwendig sind, um das CO2-Budget einzuhalten. 

Demzufolge ist der Gesetzgeber verpflichtet worden, die Fortschreibung der Minderungsziele näher zu regeln. Die Bundesregierung kam dieser Aufforderung nach und erstellte zum 02.06.2021 einen Gesetzentwurf zur Anpassung des Klimaschutzgesetzes.  

INHALT

Das neue Klimaschutzgesetz ist wesentlich umfangreicher als das KSG 2019. Maßgebliche Änderungen bzw. Neuerungen betreffen:

  • Reduktion der Treibhausgase
    • bis 2030 auf 65  % im Vergleich zum Referenzjahr 1990 (bisher: 55 % im Jahr 2030)
    • bis 2040 auf 88  % 
    • Klimaneutralität im Jahr 2045 (bisher: 2050)
  • Einsatz von Fördermitteln von EUR 2,10 Mrd. für die Wiedervernässung von Mooren bis 2030 und EUR 1,44 Mrd. für Aufforstung und Wälder bis 2030 
  • Darlegung eines konkreteren Handelns durch ein Klimaschutzprogramm, die Einrichtung eines Klimaschutzrates und 
  • eine Pflicht für alle Träger öffentlicher Aufgaben, bei Planungen und Entscheidungen den Zweck des Klimaschutzgesetzes und die zu seiner Erfüllung festgelegten Ziele zu berücksichtigen 

Zur Erreichung der Treibhausgasreduktion bzw. -neutralität wurden die zulässigen CO2-Emissionsmengen der einzelnen Sektoren angepasst. Die Tabelle zeigt den Ausstoß je Sektor und Jahr in Mio. Tonnen CO2-Äquivalent, die Werte in Klammern zeigen die bisher vorgesehenen Emissionsmengen. 

RAHMENBEDINGUNGEN FÜR DIE ERREICHUNG DER KLIMASCHUTZZIELE

Die Verschärfung hat weitreichende Folgen. Nach dem Gesetzesentwurf betragen die Kosten für die Volkswirtschaft von 2023 bis 2035 EUR 12,82 Mrd. Weiter sind große Veränderungen in den betroffenen Branchen zu erwarten. Nachfolgend werden die Veränderungen nach einer BCG-Studie durch das neue Klimaschutzgesetz in einzelnen Sektoren umrissen:

  • Im Bereich Verkehr müssen zur Einhaltung der Zielvorgaben 90  % aller PKWs, die 2030 neu zugelassen werden, CO2-frei sein. Bei LKWs muss der Anteil bei rund 50  % liegen. Zudem müssen voraussichtlich 4 Mio. Tonnen E-Treibstoffe jährlich Importiert werden. Jedoch ist die Entwicklung von effizienten synthetischen Kraftstoffen derzeit noch nicht abzusehen, was die Prognose in diesem Sektor erschwert.
  • Im Gebäudebereich dürfen zur Zielerreichung ab 2023 bei Neu- und Bestandsbauten keine Öl- und Gasheizungen mehr installiert werden. Zusätzlich muss ab 2023 die energetische Sanierungsrate auf 1,6 bis 1,9  % pro Jahr verdoppelt werden. Dennoch ist die Klimaneutralität von Gebäuden auch nach energetischen Sanierungen nur in den seltensten Fällen gegeben. Eine Alternative zur Erreichung der Klimaneutralität könnte hier durch den Ausbau von klimaneutraler Energieversorgung erbracht werden.
  • Entsprechend den Berechnungen muss der Kohleausstieg bis 2030 vollzogen sein. Daneben muss sich der jährliche Zubau von Wind- und Solaranlagen verdoppeln. Um die Klimaschutzziele versorgungssicher zu erreichen, müssen zusätzlich 30 Gigawatt Gaskraftwerkskapazitäten innerhalb der nächsten neun Jahre zugebaut werden. Hierbei bestehen zu jedem Punkt eigene Probleme, die sich auch nicht bzw. nur sehr schwer durch technologische Sprünge und Innovationen lösen lassen. Größte Herausforderung wird hier wohl die politische Auseinandersetzung für Flächen von Solaranlagen und Abstandsregelungen für Windenergieanlagen. Der Zubau von Gaskraftwerkskapazitäten muss voraussichtlich stark subventioniert werden, da diese vergleichsweisen wenigen Betriebsstunden im Jahr im Einsatz sind und nur für Lastspitzen bzw. Versorgungsengpässe vorgehalten werden. Wenngleich hier weitestgehend Technologiesicherheit vorherrscht, sind die benötigten Strommengen stark von den Entwicklungen in den anderen Sektoren abhängig.
  • Für den Industriesektor wird mit Emissionssenkungen gerechnet, die im Vergleich zu den letzten 10 Jahren sechs Mal schneller erfolgen müssen. Dazu sind neue Anlagen zur Prozesswärmegewinnung zu errichten, die vollständig ohne Gas, Öl und Kohle betrieben werden. Es werden Investitionen für die Dekarbonisierung in Höhe von EUR 30 Milliarden prognostiziert. Auch in diesem Sektor werden in Zukunft zum Erhalt einzelner Branchen staatliche Hilfen benötigt. Für den Industriesektor wird mit Emissionssenkungen gerechnet, die im Vergleich zu den letzten 10 Jahren sechs Mal schneller erfolgen müssen. Dazu sind neue Anlagen zur Prozesswärmegewinnung zu errichten, die vollständig ohne Gas, Öl und Kohle betrieben werden. Es werden Investitionen für die Dekarbonisierung in Höhe von EUR 30 Milliarden prognostiziert. Auch in diesem Sektor werden in Zukunft zum Erhalt einzelner Branchen staatliche Hilfen benötigt.

ERFORDERNIS DER SUBVENTIONIERUNG DES UMBAUS

Dass Subventionen bzw. Entlastungen zum Umbau zur Klimaneutralität benötigt werden, darüber besteht weitgehend Einigkeit. Über Art und Umfang dieser Hilfen wird hingegen stark gestritten. Ein aktueller Vorschlag aus den Wahlprogrammen der Regierungspartien ist ein günstiger Industriestrompreis. Mit dem geforderten vier Cent pro kWh Industriestrompreis muss dennoch Netzentgelten, Erneuerbaren-Förderung und Back-up-Kapazitäten in Höhe von 13 Cent je Kilowattstunde bezahlt werden. Bei den 53 TWh, die 2019 von Chemie-/Pharmaindustrie verbraucht wurden, ergibt sich eine jährliche Subventionierung von EUR 4,77 Mrd. für diesen Industriezweig.