Die Aufstellung von Tätigkeitsabschlüssen für vertikal integrierte Energieversorgungsunternehmen (viEVU) stellt diese Unternehmen immer wieder vor neue Herausforderungen. Am 25.11.2019 haben die Beschlusskammern 8 und 9 weitere Vorgaben „Festlegungen“ erlassen, die zusätzliche Angaben in den Jahresabschlüssen der viEVU erfordern. Neu ist, dass mit viEVU und mit rechtlich selbständigen Netzbetreibern verbundene „Service“-Unternehmen ebenfalls von den Vorgaben der Beschlusskammern 8 und 9 erfasst sind, soweit sie direkt oder indirekt energiespezifische Dienstleistungen erbringen. FIDES informiert Sie über die Neuerungen.
1. Anlass
Die Aufstellung von Tätigkeitsabschlüssen für vertikal integrierte Energieversorgungsunternehmen (viEVU) stellt die betreffenden Unternehmen immer wieder vor neuen Herausforderungen. Beispielsweise ist die Frage hinsichtlich der verpflichtenden Aufstellung eines Tätigkeitsabschlusses für den grundzuständigen Messstellenbetreiber immer noch nicht abschließend geklärt. Es kann also weiterhin nach den Grundsätzen des Schreibens des "Institut der Wirtschaftsprüfer" (IDW) vom 09.07.2019 verfahren werden.
Am 25.11.2019 haben die Beschlusskammern 8 und 9 weitere Vorgaben „Festlegungen“ erlassen, die zusätzliche Angaben in den Jahresabschlüssen der viEVU erfordern. Neu ist, dass mit viEVU und mit rechtlich selbständigen Netzbetreibern verbundene „Service“-Unternehmen ebenfalls von den Vorgaben der BK 8 und 9 erfasst sind, soweit sie direkt oder indirekt energiespezifische Dienstleistungen erbringen.
Dies gilt für Abschlüsse mit einem Bilanzstichtag ab dem 30.09.2020 – also für alle Jahresabschlüsse zum 31.12.2020.
Nahezu wort- und inhaltsgleich haben die meisten Landesregulierungsbehörden entsprechende eigene Beschlüsse gefasst. Eine Ausnahme stellt zurzeit die Regulierungskammer Niedersachsen dar, die auf ihrer Homepage erläutert, dass sie die gerichtlichen Entscheidungen über die entsprechenden Festlegungen der Bundesnetzagentur abwarten wird und sich vorbehält, die Verfahren zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufzugreifen.
Zielsetzung der Beschlusskammern ist eine größere Kostentransparenz durch
- zusätzliche Aufstellungen sowie Angaben in den Tätigkeitsabschlüssen der viEVU und
- zusätzliche Tätigkeitsabschlüsse von „verbundenen“ Netzverpachtungsunternehmen und von „verbundenen“ Serviceunternehmen, die energiespezifische Dienstleistungen an die „verbundenen“ Netzbereiche/Netzunternehmen erbringen.
Es soll sichergesellt werden, dass bei den Netzbereichen bzw. rechtlich selbständigen Netzgesellschaften nicht überhöhte Kosten ausgewiesen werden (s. auch StromNEV und GasNEV). Dies gilt nicht nur für die „Photo“-Jahre der Kostenprüfungen Strom und Gas, sondern für die Festlegungen für jedes Kalenderjahr.
Auf diese zusätzlichen Festlegungen ist durch den Abschlussprüfer einzugehen. Prüfungshandlungen werden von den Beschlusskammern (BK) in den Begründungen u. a. für die Netzumlagen und vorgelagerten Netzkosten explizit vorgegeben. Auch müssen Abschlussprüfer sich mit dem Kapitalausgleichsposten auseinandersetzen und beispielweise das Nichtvorhandensein eines solchen Postens explizit bestätigen.
Da es noch keinen endgültigen Prüfungsstandard des IDW zu diesem letztgenannten Thema gibt, wird nachfolgend der zurzeit gültige IDW PS 610 mit seinen wesentlichen Neuerungen dargestellt.
Im dritten Abschnitt wird anhand der Begründungen der BK-Beschlüsse auf den Adressatenkreis, die Definition der energiespezifischen Dienstleistungen und die Angabeverpflichtungen in der Bilanz sowie Gewinn-und Verlustrechnung des jeweiligen Tätigkeitsabschlusses eingegangen.
Im vierten Abschnitt wird erläutert, wie das IDW nach derzeitigem Stand die Beauftragung, Prüfung und die Berichterstattung unter Beachtung der Beschlusskammervorschriften vorsieht. Obwohl sich der entsprechende Prüfungsstandard erst in einer Entwurffassung befindet, ist er nach IDW-Meinung bereits jetzt anzuwenden.
2. IDW PS 610 N. F. Stand 26.06.2020
Für Jahresabschlüsse der Berichtszeiträume, die am oder nach dem 15.12.2017 beginnen, müssen Bestätigungsvermerke im neuen Format gem. IDW PS 400 n. F. erteilt werden. Die in diesem Standard vorgeschlagenen Testatsformulierungen gelten für alle viEVU und rechtlich selbständige Netzbetreiber unverändert, da über die Prüfung der nachstehenden Festlegungen gemäß der vorgeschlagenen Neufassung zum PS 610 nur im Prüfungsbericht bzw. einem gesonderten Teilband Stellung genommen wird.
Bezüglich der Angaben zum MsbG ist aufgrund der noch nicht abschließenden rechtlichen Klärung gemäß den Ausführungen des Energiefachausschusses des IDW weiterhin festzuhalten, dass
- die Kontentrennung vorzunehmen und zu prüfen ist,
- der Auffassung der Regulierungsbehörden gefolgt werden kann und der Tätigkeitsabschluss fest mit dem Jahresabschluss verbunden und offengelegt wird. Die Prüfung dieses Tätigkeitsabschlusses ist dann ebenfalls im Bestätigungsvermerk über die Jahresabschlussprüfung mit aufzunehmen.
Alternativ kann nach Auffassung der Messstellenbetreiber
- kein Tätigkeitsabschluss aufgestellt werden oder
- es kann eine freiwillige Aufstellung erfolgen.
Der freiwillige Abschluss wird nur bei der Regulierungsbehörde eingereicht. Eine Prüfung dieses freiwillig aufgestellten Abschlusses ist gesondert zu beauftragen. Der freiwillige Messstellen-Tätigkeitsabschluss wird nicht Bestandteil des Berichts über die Prüfung des Jahressabschlusses.
3. Beschlüsse BK 8 und 9 der BNA vom 25.11.2019 und Beschlüsse der weiteren Länderregulierungs-Kammern Mitte 2020
a) Adressatenkreis
Betroffen sind alle viEVU und rechtlich selbständigen Netzbetreiber, die die Elektrizitätsübertragung und/oder -verteilung sowie die Gasfernleitung und/oder -verteilung durchführen.
Des Weiteren sind Unternehmen innerhalb eines viEVU betroffen, die energiespezifische Dienstleistungen an die Netzsparten des viEVU oder an rechtlich selbständige Netzbetreiber erbringen (Abschnitt Gründe II. Nr. 2) sowie Netzverpachtungsunternehmen aus dem Unternehmensverbund.
Dies ergibt sich aus den Antworten zu Fragestellungen zu den von § 6b EnWG umfassten Unternehmen (siehe Abb. 1).
b) Energiespezifische Dienstleistungen gegenüber dem Netzbereich
Unmittelbare und mittelbare energiespezifische Dienstleistungen werden nicht explizit definiert.
Unzweifelhaft fallen gemäß BK-Begründungen unter die unmittelbaren energiespezifischen Dienstleistungen „die Erfüllung kommerzieller, technischer und/oder wartungsbezogener Aufgaben“. Beispielweise fallen darunter die Netzwartung, Netzinstandsetzung, Netzerneuerung, Netzführung oder Zählerauswertung. Der Begriff der mittelbaren energiespezifischen Dienstleistungen sei nach den BK-Begründungen als unbestimmter Rechtsbegriff weit auszulegen. Er umfasst beispielsweise die energierechtliche Beratung, die Verbrauchsabrechnung sowie IT-Dienstleistungen, soweit diese speziell für die Energiewirtschaft angeboten werden und es sich um keine Standardanwendung handelt. Als nicht mittelbare energiespezifische Dienstleistungen werden explizit Kantine oder Lohnabrechnung benannt. Die Beschlusskammern verzichten zunächst darauf, bezüglich der mittelbaren energiespezifischen Dienstleistungen eine noch weitergehende Definition anzusetzen.
Die Beschlusskammern regen eine großzügige Zuordnung zu den energiespezifischen Dienstleistungen mit der entsprechenden Nachweisführung an, oder aber die Zuordnung zu den sonstigen Tätigkeiten innerhalb des Energiesektors, verbunden mit dem Risiko für den viNetzbetreiber, die entsprechenden Nachweise nicht erbringen zu können. Grundsätzlich müssen solche Kosten nach der Strom-/Gas-NEV einem Drittvergleich standhalten.
c) Energiespezifische Dienstleistungen an andere Bereiche als die Netzbereiche sowie sonstige Dienstleistungen von Serviceunternehmen an die übrigen Energiebereiche
Diese sind im Tätigkeitsabschluss des viEVU unter sonstigen Kosten der Verteilungsbereiche zu erfassen. Ein Tätigkeitsabschluss der „Service“-Unternehmen ist nur aufzustellen, wenn die energiespezifischen Dienstleistungen für den Netzbereich erbracht werden.
Zu a) bis c)
Zusammenfassend sind folgende Angaben von den einzelnen Unternehmen des viEVU vorzunehmen (IDW EPS 611) (siehe Abb. 3):
4. IDW EPS 611 und Vorschlag zur Neufassung des IDW PS 610 vom 26.6.2020
Der Entwurf des Prüfungsstandards setzt sich mit den zusätzlichen Anforderungen und den Auswirkungen auf den PS 610 auseinander. Im Wesentlichen sind folgende Punkte festzuhalten:
a) Prüfungsgegenstände
- die mit dem Jahresabschluss offenzulegenden Tätigkeitsabschlüsse nach § 6 Abs. 4 EnWG (einschließlich derjenigen für die o. a. betroffenen Serviceunternehmen und Verpachtungsunternehmen),
- die durch die neuen Festlegungen „ergänzten“ Tätigkeitsabschlüsse, die nicht offenzulegen, sondern nur bei den Regulierungsbehörden einzureichen sind.
b) Prüfungsaufträge
- Die Tätigkeitsabschlüsse sind vom Abschlussprüfer zu prüfen. Dies ist gesondert zu beauftragen. Für die Serviceunternehmen entsteht insoweit eine Neuerung.
- Bezüglich der Prüfung des ergänzten Tätigkeitsabschlusses ist der Prüfungsauftrag zum Jahresabschluss und der Tätigkeitsabschlüsse gem. § 6b EnwG zu erweitern oder es ist die diesbezügliche Prüfung gesondert zu beauftragen.
c) Prüfungsinhalte
Die Prüfung umfasst die Sachverhalte, die in den im vorstehenden Abschnitt 3 zu a) bis c) aufgeführten Tabellen enthalten sind. Die Prüfung ist nach den berufsüblichen Grundsätzen durchzuführen. Neben dem transparenten Erlös- und Kostennachweis, sind die Punkte zum Kapitalausgleichsposten sowie den Schuldbeitritten relevant für die Bemessung der Verzinsungsbasis im Rahmen der Ermittlung der Eigenkapitalverzinsung. So können beispielweise Schuldbeitritte durch niedrigere Rückstellungen die Kapitalposition erhöhen. Es besteht künftig das Risiko, dass Schuldbeitritte ebenfalls als Abzugskapital berücksichtigt werden.
d) Berichterstattung und Testierung
Bei relevanten Service- und Verpachtungsunternehmen ist nach dem bestehenden PS 610 ein Tätigkeitsabschluss für die relevanten energiespezifischen Dienstleistungen für bzw. Verpachtungen an die „verbundenen“ Netzbereiche/Netzgesellschaften zu prüfen und entsprechend zu testieren. Über die Prüfung der Festlegungen der Beschlusskammern der Regulierungsbehörden ist gemäß der vorgeschlagenen Neufassung zum PS 610 nur im Prüfungsbericht bzw. einem Teilband Stellung zu nehmen.
Fazit
Hinsichtlich der Neuerungen aus den Beschlusskammerbeschlüssen ist zunächst zu prüfen, ob ein geschlossenes Verteilnetz vorliegt. Dann gelten die vorstehenden Festlegungen nicht. Für die übrigen viEVU sind die Festlegungen bei den Netzgesellschaften/Netzbereichen für die „ergänzten“ Tätigkeitsabschlüsse umzusetzen. Die Abschlussprüfer sind entsprechend zu beauftragen bzw. die bestehenden Prüfungsaufträge sind entsprechend zu erweitern. Für „Service“-Gesellschaften ist zu identifizieren, ob und inwieweit diese energiespezifischen Dienstleistungen unmittelbar und mittelbar gegenüber den Netzbereichen oder rechtlich selbständigen Netzgesellschaften innerhalb ihres viEVU erbringen. Die energiespezifischen Dienstleistungen sind hinsichtlich ihres Umfangs festzulegen. Die Folgewirkungen aus der Festlegung des Umfangs sind abzuschätzen. Sofern solche „Service“-Gesellschaften vorhanden sind, sind die entsprechenden Tätigkeitsabschlüsse aufzustellen, die Prüfung ist zu beauftragen und durchzuführen.