
Einheitsbewertung für die Bemessung der Grundsteuer verfassungswidrig
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Mit Urteil vom 10.04.2018 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, dass die Vorschriften über die Einheitsbewertung für die Bemessung der Grundsteuer verfassungswidrig sind. Für die erforderliche Neuregelung werden verschiedene Bewertungsmodelle diskutiert.
Hintergrund
Mit einem bundesweiten Jahresaufkommen von rd. EUR 14 Mrd. stellt die Grundsteuer (GrSt) eine bedeutende Einnahmequelle der Kommunen dar. Die Bemessung der GrSt basiert dabei schon seit den 1930er Jahren auf dem sog. Einheitsbewertungskonzept, nach dem für alle an Vermögenswerte anknüpfende Steuern auf verwaltungsökonomische Weise ein einheitlicher Wert (Einheitswert) festzustellen ist. Die Bewertung sollte nach diesem Konzept jeweils zu periodisch wiederkehrenden Hauptfeststellungzeitpunkten – konkret alle sechs Jahre – vorgenommen werden, was jedoch an der tatsächlichen Umsetzung scheiterte. Aus diesem Grund werden die Einheitswerte für den Grundbesitz als Bemessungsgrundlage für die GrSt in den alten Bundesländern noch heute auf Basis der Wertverhältnisse vom 01.01.1964 und in den neuen Bundesländern auf Basis der Wertverhältnisse vom 01.01.1935 ermittelt. Die daraus zwangsläufig mit der Zeit kontinuierlich steigenden Wertverzerrungen nahm der Bundesfinanzhof (BFH) im Jahr 2014 in mehreren Verfahren zum Anlass, dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Frage vorzulegen, ob die Vorschriften über die Einheitsbewertung wegen des Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verfassungswidrig sind. Nach Überzeugung des BFH führte die jahrzehntelange Aussetzung der Wertanpassung nämlich zu gleichheitswidrigen, strukturell groben Wertverzerrungen zwischen vergleichbaren wirtschaftlichen Einheiten.
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10.04.2018
Nach dem Urteil des BVerfG vom 10.04.2018 (1 BvL 11/14, u.a.) sind die Vorschriften über die Einheitsbewertung von Grundvermögen mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) jedenfalls seit dem 01.01.2002 unvereinbar. Das BVerfG begründete seine Entscheidung damit, dass dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung von Bewertungsvorschriften für die steuerliche Bemessungsgrundlage zwar ein großer Spielraum zusteht, solange sie geeignet sind, den Belastungsgrund der Steuer zu erfassen und dabei die Relation der Wirtschaftsgüter zueinander realitätsgerecht abzubilden. Nach Auffassung des BVerfG führt das Festhalten des Gesetzgebers an dem Hauptfeststellungszeitpunkt am 01.01.1964 bei der GrSt allerdings zwangsläufig in zunehmendem Umfang zu gravierenden und umfassenden – gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden – Ungleichbehandlungen bei der Bewertung von Grundbesitz, für die keine ausreichenden Rechtfertigungsgründe ersichtlich sind. Nicht betroffen von der Entscheidung sind unbebaute Grundstücke sowie der Bereich der Land- und Forstwirtschaft.
Vor dem Hintergrund, dass durch die Verfassungswidrigkeit eine Neubewertung von ca. 35 Mio. Grundstücken im Bundesgebiet im Raum steht, ordnete das BVerfG die Fortgeltung der verfassungswidrigen Einheitsbewertung in zwei Schritten an:
- Die verfassungswidrigen Vorschriften gelten zunächst bis zum 31.12.2019 weiter. Bis zu diesem Zeitpunkt hat der Gesetzgeber eine Neuregelung zu treffen.
- Ist der Gesetzgeber der Neureglung bis zum 31.12.2019 nachgekommen, gelten die beanstandeten Vorschriften noch für weitere fünf Jahre fort, längstens aber bis zum 31.12.2024.
Mögliche Handlungsoptionen des Gesetzgebers
Nach dem Koalitionsvertrag auf Bundesebene zwischen CDU, CSU und SPD für die 19. Legislaturperiode (Februar 2018) sollen die Vorgaben des BVerfG mit der Maßgabe umgesetzt werden, dass das derzeitige Grundsteueraufkommen sichergestellt wird und das Hebesatzrecht der Gemeinden bestehen bleibt. Ein konkreter Zeitplan zur Neuregelung der GrSt liegt derzeit noch nicht vor. Ebenso gibt es noch keine Festlegung auf ein bestimmtes Modell. Insbesondere folgende Modelle stehen derzeit zur Diskussion:
- Verkehrswertmodell: Dieses Modell will sowohl Grund und Boden als auch die aufstehenden Gebäude mit Verkehrswerten anhand von Vergleichsdaten des Immobilienmarktes erfassen. Es steht allerdings – wie auch die derzeitige Regelung – unter dem Vorbehalt, dass eine flächendeckende Bewertung des Grundbesitzes (Erhebung individueller Grundstücks- und Vergleichsdaten) überhaupt gelingt und außerdem turnusmäßig wiederholt werden kann.
- Kostenwertmodell: Dieses Modell soll auf typisierende Weise den Investitionsaufwand für ein Grundstück abbilden. Dazu soll der Grund und Boden mit dem Bodenwert (= Fläche x Bodenrichtwert) angesetzt werden, während sich der Gebäudewert nach der Brutto-Grundfläche und flächenbezogenen Pauschalherstellungskosten bemessen soll.
- Bodenwertmodell: Nach diesem Modell soll bei der Wertermittlung ausschließlich an den Bodenwert angeknüpft werden, ohne dass der Gebäudebestand zu berücksichtigen wäre.
- Wertunabhängiges Modell: Dieses Modell sieht eine Entkoppelung von Grundsteuer und Grundstückswert vor, indem die Bemessung allein anhand wertunabhängiger Flächenmerkmale und sog. Äquivalenzahlen stattfindet (Grundstücks- und Gebäudeflächen x feste Euro-Beträge je qm).
Fazit
Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung gelten die bisherigen Bewertungsvorschriften zur Bemessung der GrSt zunächst fort. Es bleibt abzuwarten, auf welches Bewertungsmodell sich der Gesetzgeber festlegen wird. Erst in diesem Zuge werden sich auch Aussagen über die zukünftigen grundsteuerlichen Belastungen bezüglich der einzelnen Grundstücke treffen lassen. FIDES wird Sie hinsichtlich der weiteren Entwicklung zur zukünftigen Bemessung der GrSt auf dem Laufenden halten.
Gerne stehe ich für weitere Fragen persönlich zur Verfügung: