
Grunderwerbsteuerreform der sog. Share Deals: Referentenentwurf veröffentlicht
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Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) hat am 08.05.2019 einen Referentenentwurf für die Reform der Grunderwerbsteuer im Bereich der sog. Share Deals bzw. RETT-Blocker-Gestaltungen (RETT: „real estate transfer tax“) vorgelegt. Zweck des Gesetzesvorhabens ist es, Share Deal“-Gestaltungen durch die Absenkung von Beteiligungsschwellen von 95 % auf 90 %, Verlängerung von Halte- und Beobachtungsfristen von fünf auf zehn bzw. fünfzehn Jahre und die Einführung eines neuen Ergänzungstatbestands für Kapitalgesellschaften (§ 1 Abs. 2b GrEStG-E) wirtschaftlich unattraktiv(er) zu machen. FIDES informiert Sie über die praktischen Konsequenzen der geplanten Grunderwerbsteuerreform.
Hintergrund des Reformvorhabens
Bei sog. Share Deals werden Grundstücke nicht als solche übertragen, sondern lediglich Anteile an grundbesitzenden Gesellschaften. Bei geeigneter Strukturierung lösen solche Share Deals bisher keine oder eine nur geringfügige Grunderwerbsteuer aus. Dabei orientieren sich die gängigen Share Deal-Varianten an den Beteiligungsschwellen der Ergänzungstatbestände des § 1 Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG (95 %) sowie an den Vorbesitzzeiten der Grunderwerbsteuerbefreiung des § 6 GrEStG („mitgebrachter“ Co-Investor, Zurückbehaltung eines 5,1 %-igen Anteils durch den Altgesellschafter, gestreckter Erwerb).
Das von einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe im Auftrag der Finanzministerkonferenz entwickelte Konzept zur Eindämmung entsprechender Share Deals wurde nun in einen am 8.5.2019 veröffentlichten Referentenentwurf des BMF übernommen (Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften, „Jahressteuergesetz – JStG 2019“). Zweck des Gesetzgebungsvorhabens ist es, Share Deal-Gestaltungen wirtschaftlich unattraktiv(er) zu machen.
Wesentliche Elemente des Referentenentwurfs
Zur Einschränkung von Share Deal-Gestaltungen enthält der Referentenentwurf folgende Änderungen:
- Herabsetzung der in den Ergänzungstatbeständen des § 1 Abs. 2a, 3, 3a GrEStG enthaltenen Beteiligungsschwellen von 95 % auf 90 %,
- Verlängerung der Halte- und Beobachtungsfristen von fünf auf zehn Jahre in §§ 1 Abs. 2a, 5, 6 und 7 GrEStG-E,
- Schaffung eines neuen Ergänzungstatbestands § 1 Abs. 2b GrEStG-E für Gesellschafterwechsel bei grundbesitzenden Kapitalgesellschaften iHv. mindestens 90 % innerhalb von zehn Jahren sowie die
- Ergänzung des § 6 GrEStG um eine zusätzliche Vorbehaltensfrist von fünfzehn Jahren für Fälle des „gestreckten Erwerbs“, § 6 Abs. 4 Nr. 3 GrEStG-E.
Darüber hinaus enthält der Referentenentwurf folgende Änderungen:
- Anwendung des Grundbesitzwerts anstelle des vereinbarten Kaufpreises auf Grundstücksverkäufe im Rückwirkungszeitraum von Umwandlungsfällen, § 8 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG-E, und Einführung einer Anzeigepflicht für solche Gestaltungen, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 GrEStG-E, und die
- Aufhebung der Begrenzung des Verspätungszuschlags für die GrESt, § 19 Abs. 6 GrEStG-E.
Die Neuregelungen sollen erstmals auf Erwerbsvorgänge angewandt werden, die nach dem 31.12.2019 verwirklicht werden. Dieser Grundsatz wird im Detail aber durch Übergangsvorschriften zur zeitlichen Anwendung der Neu- und Altregelungen eingeschränkt.
Einschätzung der geplanten Neuregelungen und Praxisfolgen
Der Referentenentwurf führt zu einer deutlichen Verschärfung der Rechtslage. Das gesetzgeberische Ziel, Share Deals wirtschaftlich unattraktiv(er) zu machen, wird durch die Absenkung der Beteiligungshöhe der Ergänzungstatbestände auf 90 % und Verlängerung der Haltefristen auf zehn bzw. fünfzehn Jahre erreicht. Die im Wirtschaftsleben als sehr lang zu erachteten Fristen schränken die unternehmerische Dispositionsfreiheit deutlich ein.
Durch die geplante Einführung des § 1 Abs. 2b GrEStG-E wird die Share Deal-Gestaltung eines „mitgebrachten“ Co-Investors zukünftig entfallen. Nach der neuen Rechtslage bedürfen Share Deal-Gestaltungen entweder eines dauerhaften 10,1 %-igen Altgesellschafters oder eines besonders langen Atems beim gestreckten Erwerb (15 Jahre).
An der Neuregelung bestehen verschiedene materiell-rechtliche und verfassungsrechtliche Zweifel. Beispielhaft sei die fehlende Abstimmung des § 1 Abs. 2b GrEStG-E mit den Steuerbegünstigungen der § 1 Abs. 6 GrEStG und §§ 5, 6, 6a GrEStG, die Absenkung der Beteiligungsschwelle bei weiterhin geltender Vollbesteuerung und die fehlende Zielgenauigkeit des § 1 Abs. 2b GrEStG-E als Missbrauchsverhinderungsvorschrift und Unmöglichkeit der Tatbestandsermittlung bei Börsennotierung erwähnt.
Es bleibt zu hoffen, dass im weiteren Gesetzgebungsverfahren zielgenauere Neuregelungen angestrebt werden. FIDES wird Sie über den weiteren Gang des Gesetzgebungsverfahrens informieren und kann Sie bei der steueroptimalen Strukturierung von Share Deals unterstützen.